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Pressemitteilungen

Verband Hessischer Geschichtslehrerinnen und -lehrer VHGLL
Geschichte für heute lehren und lernen!

Auf dieser Seiten finden Sie öffentliche Stellungnahmen des VHGLL zum politischen und gesellschaftlichen Geschehen mit Bezug auf Geschichte oder Erinnerungskultur, die zuvor auf der Seite Aktuell eingestellt waren, aber deswegen nicht “inaktuell” wurden.

Übersicht

>>Presseerklärung zum Abiturfach Geschichte in Hessen:
Entstehung der Bundesrepublik, DDR, Wiedervereinigung im Fach Geschichte nicht mehr wichtig für das Abitur in Hessen
Neue Oberstufenverordnung des Kultusministeriums
auf der Sonderseite >>Presse OAVO 7.4.2025

Hier auf der Seite:

>>Schlechter Unterricht über NS-Geschichte an hessischen Schulen, 24.9.2024 (mit Reaktionen in der Presse)

>>Stellungnahme des VHGLL zur Petition “Anti-Rassismus und Deutsche Kolonialgeschichte in Hessens Lehrplan!” (mit Reaktionen in der Presse)

>>Nationalsozialismus ein “Vogelschiss” in der deutschen Geschichte?
Interview mit dem VGD-Vorsitzenden zur Gauland-Äußerung auf news4teachers, 5.6.2018
Damit verbunden:

>>VHGLL, 29.9.2017 - Stolz auf Wehrmachtssoldaten? Wie Gauland die Rede von Mitterrand verfälscht

>>Heute wird die Erinnerungskultur revidiert, morgen die Geschichte. Erklärung zu den Äußerungen von Björn Höcke in Dresden am 17.1.2017

 


 

Schlechter Unterricht über NS-Geschichte an hessischen Schulen?
Brief an die Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Betr.: „Ohne NS-Zeit durch die Schule“, F.A.Z. Rhein-Main 20.9.2024


Sehr geehrte Redaktion,

wir hätten uns gefreut, wenn in Fragen des Geschichtsunterrichts nicht nur die GEW, sondern auch der Verband Hessischer Geschichtslehrerinnen und -lehrer kontaktiert worden wäre.

Der Vorfall an der Integrierten Gesamtschule, dass Schülerinnen oder Schüler nach der 9. Klasse abgehen, ohne dass sie das Thema Nationalsozialismus im Geschichtsunterricht hatten, ist wohl kein Einzelfall und zunächst dem geschuldet, was in dem Artikel genannt wird. Ein strukturelles Problem ist die Integration des Hauptschulzweigs mit nur 9 Jahren in eine Integrierte Gesamtschule, deren Lehrplan bis zur Mittleren Reife auf 10 Jahre ausgerichtet ist, in einer Kooperativen Gesamtschule ist das anders. Die Schulen können das Problem, dass der Nationalsozialismus regulär erst in Kl. 10 drankommt, für solche Eventualfälle intern lösen, wie berichtet. Warum das in diesem Fällen nicht geschehen ist, können wir nicht beurteilen.

Damit verbunden sind offensichtlich jedoch noch andere Probleme: Lehrermangel und ein überproportional hoher Anteil an fachfremd erteiltem Geschichtsunterricht im Fach Gesellschaftslehre, denn dieses wird gerne als „Verschiebebahnhof“ zur Lösung der Personalprobleme benutzt, weil man meint, das kann jeder einigermaßen unterrichten.

Es geht aber noch um mehr.

In dem Artikel wird mit Verweis auf die Aussage der Sprecherin der Landesschülervertretung und eine Untersuchung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages behauptet, es gäbe ein grundsätzliches Problem der Vermittlung der NS-Geschichte im Unterricht, wonach „seine Bedeutung abnimmt“. Dies sei Ergebnis dessen, dass der Nationalsozialismus nicht mehr als „geschlossenes Themenfeld“ behandelt werde. Die Bundestagsuntersuchung greift in ihrer Kritik auf den Gedenkstätten-Rundbrief 117 von 2015 zurück, der damals die Vernachlässigung der Sachinhalte im Rahmen der Kompetenzorientierung kritisierte. Bei den diesbezüglich erwähnten Lehrplänen ist der hessische aber nicht dabei.

Wir verwahren uns somit dagegen, dies hier nun verfälschend auf Hessen zu projizieren. Im hessischen Geschichtsunterricht ist nach den geltenden Grundlagen (Kerncurriculum von 2011) eine Verbindung „Totalitäre Systeme/Nationalsozialismus“ vorgesehen, die der adäquaten Behandlung des Nationalsozialismus keinen Abbruch tut, zumal das Thema Shoa noch extra erwähnt wird.

Tatsächlich hat auch der hessische Geschichtslehrerverband 2010, zusammen mit dem Historikerverband und anderen Beteiligten, gegen den Entwurf des Kerncurriculums Geschichte wegen der mangelhaften Sachinhalte protestiert. Erreicht wurde dadurch eine nachträgliche Einführung von „Basisnarrativen“, die diese Inhalte zumindest ausreichend stichwortartig abbilden, wie oben zitiert zu Nationalsozialismus und Shoa. Dies ist aber seit langem verbesserungsbedürftig und schon 2019 wurde eine Konkretisierung dieser Inhalte für alle Fächer angekündigt, sie liegt aber immer noch in der Schublade.

Fazit: Den im letzten Teil des Artikels pauschalisierten Vorwurf, es werde in Hessen schlechter Geschichtsunterricht zum Thema Nationalsozialismus gemacht, weisen wir mit Nachdruck zurück.

Wolfgang Geiger, 24.9.2024
 

Links:
Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages: Die Verankerung des Themas Nationalsozialismus im Schulunterricht in Deutschland, Österreich, Polen und Frankreich, 2018 >online
/ Andreas Geike: Die Verankerung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen im Unterricht: Dargelegt an Hand der
Rahmenlehrpläne der Länder, in: Gedenkstätten-Rundbrief, 117 (2015): >online

Die FAZ nahm einen Teil des Leserbriefs in einem Nachtrag zum Thema  auf:
Frankfurter Allgemeine Zeitung  227/2024, S. 2
Schulämter sehen keinen Reformbedarf
RHEIN-MAIN Behandlung des Nationalsozialismus im Unterricht der integrierten Gesamtschulen sei klar geregelt

[...]
“Auch der Hessische Geschichtslehrerverband äußert sich zu dem Fall. Die Integration des Hauptschulzweigs mit nur neun Jahren in eine integrierte Gesamtschule sei ein "strukturelles Problem", meint der Landesvorsitzende Wolfgang Geiger, denn deren Lehrplan sei bis zur Mittleren Reife auf zehn Jahre ausgerichtet. "In einer kooperativen Gesamtschule ist das anders." In dieser Schulform werden die Bildungsgänge mit ihren jeweiligen Lehrplänen nämlich getrennt unterrichtet.

Geiger sieht jedoch noch weitere Schwierigkeiten: Der Lehrermangel und ein überproportional hoher Anteil an fachfremd erteiltem Geschichtsunterricht im Fach Gesellschaftslehre führten dazu, dass dieses Schulfach gerne als "Verschiebebahnhof" zur Lösung der Personalengpässe benutzt werde, "weil man meint, das kann jeder einigermaßen unterrichten". Geiger verwahrt sich jedoch gegen die unter anderem von der Landesschülervertretung geäußerte Kritik, dass die Bedeutung der Vermittlung der NS-Geschichte grundsätzlich abnehme. "Den im letzten Teil des Artikels pauschalisierten Vorwurf, es werde in Hessen schlechter Geschichtsunterricht zum Thema Nationalsozialismus gemacht, weisen wir mit Nachdruck zurück", sagt der Landesvorsitzende.” rsch.
 


Stellungnahme des VHGLL zur
Petition Anti-Rassismus und Deutsche Kolonialgeschichte in Hessens Lehrplan!

Im Zuge der nach den jüngsten Vorfällen in den USA erstarkenden Black lives matter!-Bewegung und einer daran anschließenden breiteren Bewegung gegen Rassismus auch in Deutschland hat sich eine bundesweite Initiative für Petitionen in jedem Bundesland gebildet, die die Behandlung der deutschen Kolonialgeschichte und deren Folgen sowie eine weitergehende antirassistische Erziehung im Schulunterricht fordert.

Hier die Stellungnahme des VHGLL                                                ..und das Echo in der Frankfurter Rundschau

Die Stellungnahme enthält eine ausführliche Erläuterung.

Eine weiterführende inhaltliche Auseinandersetzung mit der Thematik erschien in der HLZ 12/2020, S. 30f.:
Wolfgang Geiger: Kolonialismus und Rassismus - Herausforderungen für den Unterricht (das Heft steht auch online).

An dieser Stelle möchten wir auch auf unsere Jahrestagung 2018 zum Thema Schwierige Erinnerung:
Frühe Völkermorde des 20. Jahrhunderts.
Deutsch-Südwestafrika (Herero) und Osmanisches Reich (Armenier
)
hinweisen sowie auf unsere stets weiter ausgebaute und aktualisierte Themenseite Kolonialismus.

Ferner sei hier auch auf die Webseite des Geschichtslehrerforums zum Thema Deutsch-Südwestafrika und Völkermord an den Herero mit ausführlichen Materialien und Quellen aus verschiedenen Perspektiven hingewiesen.

Aktuell im Web:

Die Gewalt wird nicht thematisiert.” Viele deutsche Schulbücher beschönigen auch heute noch die Kolonialzeit..., Interview mit Josephine Apraku von Simon Sales Prado, taz, 15.7.2020.

So absolut ist das Zitat im Titel wohl nicht für alle Schulbücher aufrechtzuerhalten, trotzdem ist eine breitere Schulbuchkritik dazu überfällig, Untersuchungen gibt es bereits u.a. vom Georg-Eckert-Institut (siehe auf unserer Seite Kolonialismus).

16.7.2020


Nationalsozialismus ein “Vogelschiss” in der deutschen Geschichte?
Interview mit dem VGD-Vorsitzenden zur Gauland-Äußerung auf news4teachers, 5.6.2018


VHGLL, 29.9.2017

Stolz auf Wehrmachtssoldaten? Wie Gauland die Rede von Mitterrand verfälscht

Die Äußerung von Alexander Gauland, man könne auf die “Leistungen der Wehrmachtssoldaten stolz sein”, hat viel Empörung hervorgerufen. Doch wer von denen, die sich darüber empören, hat es auch für nötig empfunden, Gaulands anschließende, mehrfach in den Medien gebrachte Rechtfertigung zu überprüfen, Mitterrand habe das 1995 nämlich auch gesagt? Zum jetzigen  Zeitpunkt (29.9.) habe ich noch keinen “Faktencheck” diesbezüglich gehört oder gelesen. Nicht nötig?

Die Welt 15.9.17; Spiegel Online 14.9.17; BuzzFeed 14.9.17

Mitterrands Rede vom 8.5.1995 kann man auf einer Seite der Bundesregierung nachlesen. Diese Rede zur Versöhnung der Europäer anlässlich des 50. Jahrestages des Kriegsendes endete mit einem Appell, die deutschen Soldaten nicht pauschal dafür zu verurteilen, dass sie einer schlechten Sache gefolgt sind, weil sie ihr Vaterland liebten. Manch einer mag Mitterrands versöhnlichen Ton hier zu versöhnlich finden, keinesfalls hat er jedoch das gesagt, was Gauland daraus gemacht hat: An keiner Stelle sprach er davon, man könne stolz auf die Soldaten sein. Das bedeutete auch etwas ganz anderes, nämlich dass sie das Richtige getan hätten. Einer schlechten Sache zu folgen, kann jedoch nicht gut sein, man kann allenfalls versuchen, diesen Irrtum zu verstehen.

Nachtrag:

Am selben Tag wie die o.g. Presseerklärung und der hiesige Eintrag (29.9.) erschien im BILDblog ebenfalls ein Faktencheck zu Gauland/Mitterrand von Jahannes Kram. In dem Beitrag wird der dpa vorgeworfen, am 15.9. Gaulands Rede zitiert zu haben, ohne selbst mit dem Original von Mitterrand zu vergleichen. Ein aufmerksamer Kommentator auf Twitter - auf der Website dokumentiert - wies dann darauf hin, dass es diesen Vergleich von dpa später gab und am 25.9. auf TAG24 publiziert wurde.

Das macht den Vorgang noch interessanter, weil diesen Nachtrag von dpa offenbar fast niemand wahrgenommen hat oder er niemanden interessiert hat. Noch heute (3.10.) findet man mit einer Websuche zu “Gauland Mitterrand” lediglich die beiden zitierten Webseiten (plus eine linksradikale, auf die wir hier nicht weiter eingehen), außerdem taucht das Thema noch einmal auf in einem Interview von Gauland mit der Aargauer Zeitung (Schweiz), die ihn kritiisch danach befragt, ob man denn bei einem Angriffskrieg stolz auf die Leistung der Vaterlandsverteidigung sein könne, worauf Gauland Mitterrands Zitat auf die Soldaten des 1. Weltkriegs bezieht - ebenfalls falsch. Dass Gauland sich aber grundsätzlich zu Unrecht auf Mitterrand berief, war dem Interviewer auch nicht klar.


Presseerklärung des VHGLL vom 21.1.2017

Heute wird die Erinnerungskultur revidiert, morgen die Geschichte

Erklärung zu den Äußerungen von Björn Höcke in Dresden am 17.1.2017

Der VHGLL hält es für erforderlich, die Rede Björn Höckes in Dresden nicht unkommentiert zu lassen.

Ob eine Formulierung ("Denkmal der Schande") oder die gesamte Rede strafrechtlich relevant ist, werden die zuständigen Behörden entscheiden. Wichtiger ist dem VHGLL die Bewertung der inhaltli-chen Aussage der Rede als Ganzes, die sich von ihrem Inhalt und politischen Kontext her erschließt.

Die Erinnerung an den Nationalsozialismus und seine Verbrechen ist fester Bestandteil der deutschen Erinnerungskultur und des Geschichtsunterrichts. Das Holocaust-Mahnmal in Berlin kann man als Kunstwerk kritisieren, dies war von Anfang an der Fall, nicht aber seinen Zweck als "Funktionalisie-rung von Auschwitz" in Frage stellen, wie es seit der Paulskirchenrede von Martin Walser 1998, auf die Höcke auch anzuspielen scheint, leider selbst in "Mainstream"-Medien Eingang gefunden hat. Funktionalisieren oder Instrumentalisieren heißt: etwas anderes damit bezwecken. Auf diesem Wege landet man dann bei Höckes Ansicht, der im Holocaust-Mahnmal nur den deutlichsten Ausdruck ei-ner "dämlichen Vergangenheitsbewältigung" sieht, welche die "nach 1945 begonnene systematische Umerziehung" des deutschen Volkes fortsetze um ihm "seine kollektive Identität zu rauben". In der Schule vermittele der Geschichtsunterricht eine "Pflicht zur Selbstauflösung". Mit seiner Forderung nach einer "erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad" will Höcke all dies Negative in der deut-schen Geschichte ausblenden und nur das für den historischen Rückblick bestehen lassen, was er als positiv erachtet.

Höckes Thesen sind alles andere als neu, sie finden durch ihn und andere nur ihren Weg aus den rechtsextremen in rechtspopulistische Kreise und Medien, inhaltlich etwas entschärft und sprachlich geglättet, und von dort aus weiter in die Öffentlichkeit. Lässt man sich darauf ein, so führt der Weg dieses Denkens von der Revision der Erinnerungskultur zwangsläufig zurück zur Revision der Ge-schichte selbst, in der Auschwitz erst nur noch "ein Detail" ist, um mit Jean-Marie Le Pen zu spre-chen, bis es am Ende ganz im Geschichtsrevisionismus verschwindet. Die "Umerziehung" mache laut Höcke aus den Deutschen ein "Volk der Täter", die Umkehrung um 180 Grad müsste sie dann als ein "Volk von Opfern" begreifen, so die darin steckende Logik.

Dem entgegenzuwirken ist nicht die ausschließliche, aber eine unverzichtbar zentrale Aufgabe des Geschichtsunterrichts. "Aus der Geschichte lernen" ist diesbezüglich angesichts der aktuellen Ent-wicklung auch dringender als je zuvor. Die Dresdner Rede bestätigt somit nur die Einschätzung des Hessischen Kultusministers von vor einem Jahr, dass unter diesen Umständen Björn Höcke im Falle einer Rückkehr nach Hessen "nicht mehr Unterricht an einer unserer Schulen" erteilen dürfe. (FR, 16.1.2016).

Diese Erklärung zur Dresdner Rede von Höcke gibt es auch als pdf .

 

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